Gedenkbotschaft Lynne Farbman
Gedenkbotschaft Lynne Farbman
Überlebende des KZ Dachau
(Übersetzung des englischen Transkripts)
Ich freue mich, dass ich eingeladen wurde, dieses Video aus Anlass des 76. Befreiungstages des Konzentrationslagers Dachau, zu erstellen.
Meine Lebensgeschichte ist etwas ungewöhnlich. Bis Anfang Mai 2015 hatte ich geglaubt, dass ich in einem DP-Lager in Feldafing, das außerhalb von Dachau liegt, geboren wurde. In meinen Originalpapieren aus Deutschland vom Januar 1946 stand, dass ich im Januar ‘45 geboren wurde. Aber meine Mutter Rachel, die aus Wilna in Litauen stammte und eine Überlebende von Dachau und Stutthof und anderer Lager war, versicherte mir, dass dieses Datum 1945 nicht stimmte. Mir wurde immer gesagt, dass Isaac Senor, ein Jude aus Thessaloniki in Griechenland, mein leiblicher Vater sei und dass sich die beiden in einem Außenlager von Dachau, in Mühldorf, getroffen hätten, wo beide inhaftiert waren.
Mein Vater Isaac führte während… vor dem Krieg ein sehr erfülltes Leben. Aber er war der einzige Überlebende seiner großen, sephardischen Familie. Ich hatte ihn mein ganzes Leben lang geliebt und es war ziemlich schwierig für mich, mich an die Tatsache zu gewöhnen, dass er nicht mein leiblicher Vater war. Ihn als Vater zu haben war ein großer Glücksfall in meinem Leben. Meine Mutter Rachel kam aus Litauen und von ihr habe ich Jiddisch und noch viele weitere Dinge gelernt, für die ich ihr sehr dankbar bin. Tatsächlich hat sie es geschafft, mich am Leben zu erhalten, als die meisten Babys, alle Babys, alle jüdischen Babys, während des Krieges ermordet wurden. Bei einem Treffen, bei diesem Treffen in Mühldorf erfuhr ich, dass mein Vater Isaac nicht mein leiblicher Vater war und ich war schockiert und seitdem schlage ich mit vielen Fragen herum, wie zum Beispiel: Wer war wirklich mein leiblicher Vater? Was geschah mit ihm? Warum durfte ich am Leben bleiben, wo doch so viele Menschen bis in die letzten Kriegstage hinein getötet wurden? Und wie habe ich überlebt? Ich war ein Säugling, gerade geboren. Jemand musste meiner Mutter geholfen haben, Nahrung zu beschaffen und mich zu versorgen und beschützte mich und meine Mutter. Und wer waren diese Leute? Waren es Mitgefangene? Waren es Wachen, die wegschauten? Waren es Bauern aus der Umgebung, die mir und meiner Mutter Milch bringen durften?
Meine Mutter hatte mir vor ihrem Tod erzählt, dass im selben Lager im Dezember ‘44 ein kleiner Junge geboren worden war, den man ertränkt hatte, nur wenige Wochen vor meiner Geburt. Wie war es also möglich, dass ich überleben durfte? Ich habe tatsächlich keine Antworten auf diese Fragen und bin immer noch auf der Suche nach ihnen. Im Herbst 2020 lernte ich Jennifer Mendelsohn kennen, eine professionelle Genealogin, und sie half mir, viele DNA-Verbindungen herzustellen und sie erforschte die Familie meiner Mutter, in Wilna, bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Und sie fand heraus, dass mein leiblicher Vater vermutlich Salomon Kartchmer war, dessen Name auf einigen Papieren stand, die wir aus Deutschland bekommen hatten. Mir war nicht klar, als ich vor Jahren diese Papiere durchgesehen hatte, dass er wahrscheinlich mein biologischer Vater war. Und aus Jennifers Nachforschungen scheint klar hervor zu gehen, dass er und meine Mutter wahrscheinlich während des Krieges geheiratet hatten, sich gemeinsam versteckten und zusammen in verschiedenen Ghettos und Lagern waren, bis zum Jahr 1944, als meine Mutter in das Konzentrationslager Stutthof in Polen, im nördlichen Polen, verschleppt wurde. Und Salomon Kartchmer wurde woandershin transportiert oder vielleicht wurde er ermordet.
In Dachau, wo meine Mutter im August ‘44 aus Stutthof ankam, konnte sie ihre Schwangerschaft für einige Zeit verbergen. Sie wurde jedoch heftig geschlagen, als die Schwangerschaft entdeckt wurde.
Es ist ein Rätsel, warum sie am Leben bleiben durfte, denn alle schwangeren jüdischen Frauen wurden ermordet und ihre Babys ebenso. Ich würde gerne so viel mehr darüber erfahren, was mit mir, meinem Adoptivvater Isaac, meinem leiblichen Vater Salomon und meiner Mutter während dieser sehr dunklen Zeit unserer Geschichte passiert ist. Ich würde auch gerne mehr über die Familie meines leiblichen Vaters Salomon Kartchmer erfahren.
Wenn also jemand, der sich das hier ansieht, zusätzliche Informationen hat, kann er/sie sich mit mir in Verbindung setzen und… wie gesagt, bin ich sehr dankbar, dass ich Ihnen meine Geschichte erzählen kann. Vielen Dank!
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