Gedenkbotschaft Yves Meyer

Gedenkbotschaft Yves Meyer

Überlebender des KZ Dachau

 

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(Übersetzung des französischen Transkripts)

Guten Tag, mein Name ist Yves Meyer. Über meine Erinnerungen berichte ich von meiner Wohnung aus. Der Ausblick von hier auf den Mont Valérien erinnert mich jeden Tag an die 1000 dort erschossenen französischen Widerstandskämpfer.

Meine Häftlingsnummer in Dachau war 76569. Ich wurde von der Gestapo in der Normandie verhaftet, drei Tage vor der Landung der Alliierten, nachdem ein Doppelagent in unsere Organisation eingeschleust worden war. Ich war der Verantwortliche des Maquis [Widerstandsgruppe] der Region A für die MUR: Mouvements unis de la Résistance (Vereinigte Widerstandsbewegungen).

Vom 2. Juli bis zum 5. Juli 1944 war ich im ‚Train de la mort‘ (‚Todeszug‘), der Compiègne-Royallieu mit unbekanntem Reiseziel verließ. Soll man 77 Jahre nach dieser kaum erträglichen Reise sagen: „schon“ oder „es ist so lange her“? Die Erinnerungen, die sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt haben, sind noch sehr stark. Unser Fluchtversuch, organisiert von Claude Lamirault während unserer Internierung im Durchgangslager in Compiègne, ist leider missglückt. Das Gedränge, das darauf abzielte, dass die Mitglieder der Fluchtgruppe in den gleichen Waggon einsteigen, ist uns in Erinnerung geblieben. Wie auch die extreme nervliche Anspannung an diesem Ort ohne Luft zum Atmen, an diesem sehr heißen Tag; es war unmöglich, sich im Gedränge von 100 Menschen im Waggon hinzusetzen. Schlussendlich siegte die Disziplin: 50 saßen, 50 standen – aber der Luft- und Wassermangel war grausam. Am Bahnhof in Révigny entdeckten wir bestürzt all diese Leichen. Nur ein paar Waggons wurden verschont. In allen Waggons, nein, in einem der Waggons, war nur ein einziger Überlebender von den 100.

Die Durchfahrt durch Ulm in Deutschland und der Blick auf die durch die Bombardements der Alliierten verursachten Schäden, die den deutschen Bahnverkehr in keiner Weise lahmgelegt haben.  Dann Ankunft am Dachauer Bahnhof, einem Ort, von dem nur wenige Mithäftlinge wussten, was er bedeutet. Ich hatte 1936 die Erzählung eines freigelassenen Häftlings gelesen, die ich für übertrieben hielt, aber, wenn ich gewusst hätte… Der Gang ab dem Dachauer Bahnhof mit den jungen Deutschen, die uns beschimpften und mit Steinen bewarfen, die Hunde der Wachmänner, die uns bissen.

Dann der Eintritt in dieses Lager und der dramatische Anblick dieser zehn- bis vierzehnjährigen Kinder, in Sträflingskleidung, kahlrasiert, beim Strammstehen, die Mütze auf der Hosennaht, als sie der SS salutieren. Wessen konnten sie schuldig sein? Auf dem Appellplatz fand der Appell aller Namen des Todeszuges statt, auch der 900 Toten, die natürlich nicht antworten konnten und nicht registriert wurden. Dann die Entkleidung, noch auf dem Appellplatz, der Eintritt in die Duschen, das Abrasieren der gesamten Körperbehaarung, die ärztliche Untersuchung, komplett nackt im Laufschritt mit ausgestreckten Händen vor einer Versammlung von SS-Ärzten. Dieser Geruch von verbranntem Fleisch aus den Krematorien, der uns tagelang nicht mehr verlassen hat. Die Quarantäne in der Baracke 21 und die Nivellierung aller sozialen Schichten: Pfarrer, Präfekt, Widerstandskämpfer, Geisel. In unserer großen Naivität wollten wir beim Lagerkommandanten Protest erheben, weil ein französischer Offizier von einem Kapo geohrfeigt wurde. Und dann die große Freude, ausgelöst durch den Anschlag auf Hitler am 20. Juli 1944, und unsere Hoffnung auf die Heimkehr in den nächsten Tagen.

Dann erfolgte die Abfahrt am 27. Juli [1944] zu den Lagern am Neckar, wo wir das Grauen erlebten.

Am Appellplatz in Dachau steht heute in allen Sprachen die Mahnung: „Nie wieder“. Wir haben lang daran geglaubt. Aber wie unsere Väter, die nach dem Ersten Weltkrieg glaubten, es wäre der allerletzte Krieg, sind wir heutzutage sehr besorgt. Wir sehen, wie die Welt verrückt wird. Zum Glück gewinnt unsere optimistische Einstellung wieder die Oberhand.

Ich fasse zusammen: Lesen Sie Zeitungen verschiedener Richtungen, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Tauschen Sie sich aus, diskutieren Sie über die Probleme, die [die Gesellschaft] spalten können. Ein Kompromiss ist immer möglich. Internationale Begegnungen sind sehr wichtig und ermöglichen die Auseinandersetzung und die Akzeptanz anderer Kulturen.

Guten Abend.

 

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