Pressemitteilung

Hohe Geldstrafe für rechtsextremen Videoblogger

 |  28. November 2020

Tor des Jourhauses

Die KZ-Gedenkstätte Dachau begrüßt das Urteil des Landgerichts München II am 27. November 2020 im Berufungsprozess gegen den rechtsextremen Videoblogger Nikolai Nerling. Die Kammer des Landgerichts verurteilte Nerling zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 40 Euro und bestätigte damit im Wesentlichen das Urteil des Amtsgerichts Dachau vom Dezember 2019.

„Ich bin wirklich froh, dass auch das Landgericht München II die Verharmlosung bzw. Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau als völlig inakzeptabel betrachtet. Den Referenten, Mitarbeitern und Schülern, die hier als Zeugen ausgesagt und zu einer Verurteilung beigetragen haben, danke ich sehr herzlich!“, kommentiert die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau Gabriele Hammermann die Entscheidung des Landgerichts.

Ebenfalls in diesem Sinn äußert sich der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Vizepräsident des Bayerischen Landtags Karl Freller: „Mit dem heutigen Urteil wurde ein eindeutiges Zeichen gesetzt. Die Leugnung von Nazi-Verbrechen, Hass und Verachtung dürfen in unserer Gesellschaft keine Chance haben. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KZ-Gedenkstätte Dachau danke ich ausdrücklich für ihr entschiedenes Vorgehen!“

Der Berufungsprozess vor dem Landgericht München II fand statt, da Nikolai Nerling gegen ein Urteil des Amtsgerichts Dachau Berufung eingelegt hatte. Amtsrichter Lukas Neubeck hatte ihn im Dezember 2019 wegen Leugnung des Holocausts und Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen, insgesamt 10800 Euro, verurteilt. Diesem Gerichtsverfahren vorausgegangen war ein Versuch Nerlings, im Februar 2019 in der KZ-Gedenkstätte Dachau ein Video gegen den von ihm so genannten „Schuldkult“ zu drehen. In diesem Zusammenhang hatte sich Nerling  einer Schulklasse gegenüber verharmlosend und relativierend zu den im KZ Dachau begangenen Verbrechen geäußert. Eine Referentin erkannte den sich selbst als „Volkslehrer“ bezeichnenden rechtsextremen Videofilmer und informierte die Verwaltung der KZ-Gedenkstätte. Mitarbeiter der Gedenkstätte verwiesen Nerling und seinen Begleiter vom Gelände der Gedenkstätte, die KZ-Gedenkstätte erstattete Anzeige.

Der Prozess vor dem Landgericht München II rollte das Verfahren in sämtlichen Punkten neu auf. An zwei Verhandlungstagen hörte das Gericht viele der Zeuginnen und Zeugen, die schon vergangenes Jahr vor dem Amtsgericht Dachau ausgesagt hatten. Der sehr akribischen und detailgenauen Beweisaufnahme ist es geschuldet, dass das Gericht an beiden Tagen bis in den Abend tagte. Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer am Freitagabend schließlich sechs Monate Haft ohne Bewährung für Nikolai Nerling und eine Geldstrafe für seinen Begleiter. Nerling, der sich im ersten Prozess in Dachau nicht zur Sache geäußert hatte, gab daraufhin eine 20minütige Stellungnahme ab, in der er sich zum Justizopfer stilisierte. Nach dieser Erklärung des Angeklagten zog sich das Gericht zu einer längeren Beratung zurück.

In den späten Abendstunden wurde schließlich das Urteil verkündet: Nikolai Nerling muss wegen Volksverhetzung eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 40 Euro zahlen. Die Höhe der Geldstrafe liegt unter dem Betrag des Dachauer Urteils, dies ist aber ausschließlich auf die vom Gericht als verschlechtert angenommene Einkommenssituation des Angeklagten zurückzuführen. Seinen Begleiter verurteilte das Landgericht München II wegen Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen. Die Gedenkstätte bedauert außerordentlich, dass das das Gericht in seinem Urteil hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurückbleibt und prüft die eigenen rechtlichen Möglichkeiten. Rechtsmittel gegen dieses Urteil sind möglich.

Die KZ-Gedenkstätte Dachau ist ein Ort zur Erinnerung an die Menschen, die im KZ Dachau litten, und an die über 41.500 Häftlinge, die zu Tode kamen. Sie hat den Charakter eines Friedhofs, eines Orts der Trauer und des Gedenkens. „Auf ihrem Gelände duldet die KZ-Gedenkstätte Dachau keine rechtsextremen oder rassistischen Äußerungen oder Symbole und wird auch in Zukunft mit allen Mitteln gegen entsprechende Vorfälle vorgehen“, so Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann.

(28. November 2020)