Nachruf

Jean Villeret (1922-2023)

 |  8. Dezember 2023

Jean Villeret (2015) © Franziska Jäger

Jean Villeret, ein französischer Überlebender der KZ Dachau und Natzweiler, starb am 20. November 2023 im Alter von fast 101 Jahren in der Nähe von Paris. Die Gedenkstätte hat die Nachricht mit Trauer aufgenommen und spricht den Angehörigen ihr Beileid aus.

Jean Villeret wurde im Dezember 1922 im Departement Ardennes im Nordosten Frankreichs geboren, die Familie zog in die Nähe von Paris. Er engagierte sich im Widerstand bei den Franc-tireurs et partisans (FTP). Im Januar 1944 nahm die mit den deutschen Besatzern kollaborierende französische Polizei ihn fest, übergab ihn der Wehrmacht, die ihn im Pariser Gefängnis Fresnes inhaftierte. Nach dem Einmarsch der Alliierten in der Normandie wurde Villeret im Juli 1944 als Nacht-und-Nebel-Häftling in das KZ Natzweiler-Struthof in den Vogesen verlegt. Die Häftlinge mussten dort in völlig überfüllten Baracken schlafen. Sie wurden immer wieder grundlos geschlagen und zu schwerer Arbeit in den Steinbrüchen eingesetzt. Zählappelle konnten sich, wie er erzählte, über Stunden hinziehen. Das Schlimmste, an das sich Villeret erinnert, war der tägliche Hunger, mit dem er und seine Mithäftlinge zu kämpfen hatten. Für ihn war „Der Struthof das Auschwitz in Frankreich“.

Im September 1944 wurden auf Befehl der SS Tausende Häftlinge von Natzweiler in das KZ Dachau verlegt, denn sie sollten nicht in die Hände der vorrückenden alliierten Soldaten fallen. Villeret wurde sofort in das Außenlager Allach verlegt, in dem BMW Flugzeugmotoren produzieren ließ. Eingestuft als Hilfsarbeiter hatte er dort schwere Zuarbeitertätigkeit zu erledigen. Als Nacht-und-Nebel-Häftling war er völlig von Kontakten zur Außenwelt abgeschnitten, jeglicher Briefkontakt war ihm verboten. Im Januar 1945 wurde er zurück in das Stammlager Dachau verlegt. Er erkrankte an dem im Lager grassierenden Flecktyphus und war dem Tod nahe. Mit Glück konnte er die Befreiung erleben. In seinen Erinnerungen hatte vor allem die Hilfsbereitschaft einen hohen Stellenwert: „Die Solidarität mit den anderen Häftlingen ist das gewesen, was die Menschen zum Durchhalten bewegte, was ihnen Mut machte.“

Jean Villeret kehrte nach der Befreiung in seinen Heimatort zurück, war verheiratet und hatte drei Kinder. Im Ruhestand widmete er sich verstärkt der Erinnerungsarbeit und war in der Amicale, der französischen Überlebendenorganisation und im Natzweilercomité aktiv. Häufig erzählte er vor Publikum über seinen Weg der Verfolgung – auch im hohen Alter noch mit großer Präzision und einem erstaunlichen Erinnerungsvermögen. Seine Botschaft an eine Journalistin vor wenigen Jahren lautete: „Es ist mal wieder nicht gut bestellt um die Welt, um den Frieden. Sie, die jungen Menschen, dürfen niemals aufhören, für die Freiheit zu kämpfen.“

Jean Villeret wollte noch zur Feier zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau anreisen. Durch die Corona-Pandemie ist das nicht möglich gewesen. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.