Rekonstruktion oder Original?

 |  7. November 2014

Unmittelbar nach der Befreiung existierte der Schriftzug „Arbeit macht frei“ noch in der Türe des Jourhauses. Ein Foto des früheren politischen Häftlings Franz Brückl belegt dies. Das Foto ist leider nicht datiert wie viele Fotos, die in der Frühzeit der Gedenkstätte in das Archiv gelangten. Ein weiteres Foto (Quelle: Hr. Garand, USA) belegt, dass der Schriftzug jedoch später – wahrscheinlich von US-amerikanischen Soldaten – entfernt wurde. Unseres Erachtens ist das Foto noch vor der Einrichtung der „Wohnsiedlung“ Dachau-Ost entstanden, also in den Vierzigerjahren, denn die Golgotha-Kirche auf dem früheren Appellplatz ist noch nicht zu sehen. Auf Fotos aus der Frühzeit der Gedenkstätte ist der Schriftzug „Arbeit macht frei“ dann wieder zu sehen.

Auch ein Dokument aus dem Archiv der Gedenkstätte deutet darauf hin, dass die Inschrift rekonstruiert und in die Türe eingesetzt wurde. Nach einer Begehung des Geländes im Jahr 1972 durch das CID, das Bauamt und die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung hielt diese in einem Protokoll fest: „Wiederanbringung der aus dem eisernen Eingangstor entfernten Inschrift ‚Arbeit macht frei‘ erforderlich.“ (Quelle: Protokoll der Bayerischen Schlösser und Seenverwaltung vom 15.05.1972 | Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau)
Leider lagen dem Bauforscher Axel Will diese Fotos, die in der Frühzeit in das Archiv der Gedenkstätte gelangten, sowie das genannte Dokument aus dem Jahre 1972, bei Erstellung seines 1999 erstellten bauhistorischen Gutachtens nicht vor. In seiner Expertise kommt er daher zu dem Schluss, die komplette Gittertüre sei wahrscheinlich entfernt und später durch eine Rekonstruktion ersetzt worden. Er bezog sich dabei auf eine mündliche Aussage der damaligen Gedenkstättenleitung. Bezugnehmend auf die ihm nun vorliegenden Fotos erklärte Herr Will, dass er es für höchstwahrscheinlich halte, dass nur der Schriftzug bei Gründung der Gedenkstätte rekonstruiert wurde und nicht die ganze Türe. Denn die Fertigung der Tür samt Schrift erfordere zwei unterschiedliche Arbeitsvorgänge, sie werde nicht „aus einem Guss“ gemacht. Festzuhalten ist außerdem, dass die US-Amerikaner nur sehr wenige bauliche Veränderungen im Jourhaus, im Westflügel und im Bunker vornahmen. Zumeist erfolgte nur ein Neuanstrich, andere Nutzungen sind nur durch provisorische Einbauten belegt. Selbst die großen mit Hakenkreuzen versehenen Reichsadler über den Eingängen der Kaserne im früheren SS-Bereich nutzten sie weiter, statt sie abzubauen: Sie sägten die Hakenkreuze ab und bemalten die metergroßen Adler als Seeadler.

Aus den vorliegenden historischen Fotos, dem Dokument von Mai 1972, der revidierten Auffassung des Bauforschers und der allgemeinen Kenntnis des Umgangs der Amerikaner mit den baulichen Hinterlassenschaften des früheren Konzentrationslagers ist die Gedenkstätte zu der Auffassung gelangt, dass die Türe höchstwahrscheinlich noch ein Original ist, während der Schriftzug 1972 durch eine Rekonstruktion ergänzt wurde.

Jourhaus mit Tor ohne Inschrift, späte 1940er Jahre (Foto: Hr. Garand, USA)
Jourhaus mit Tor und Inschrift „Arbeit macht frei“ (Foto: Franz Brückl)