Nachruf
Ben Lesser (1928-2025)
| 22. Oktober 2025

Foto von David Tomaseti auf Unsplash
Die KZ-Gedenkstätte Dachau trauert um Ben Lesser, Holocaust-Überlebender und Gründer von „Zachor“ (Erinnere Dich!), einer Organisation, die Zeitzeugengespräche veranstaltet und Bildungsprojekte zur Auseinandersetzung mit der Geschichte sowie gegen die Verbreitung von Hass und Antisemitismus durchführt.
Ben (Baynish) wurde 1928 als mittlerer Sohn von insgesamt fünf Kindern einer hoch angesehenen jüdisch-orthodoxen Unternehmerfamilie in Krakau (Polen) geboren. Sein Vater betrieb eine Schokoladenfabrik, außerdem produzierte er koscheren Wein und Fruchtsirup; die Familie von Bens Mutter lebte in Munkács (Tschechoslowakei, ab 1938 von Ungarn annektiert), und dort, bei den Großeltern, verbrachten die fünf Kinder stets ihre Sommermonate.
Diese Idylle in der multikulturellen Region wurde nach dem deutschen Überfall auf Polen jäh zerstört. Zunächst gelang Ben und seiner Familie zwar noch die Flucht vor den deutschen Besatzern, doch Bens Eltern und ein Bruder wurden ermordet, Ben selbst deportierte die SS zusammen mit weiteren Geschwistern und Verwandten im Frühsommer 1944 nach Auschwitz. Dort wurde er zur Zwangsarbeit im Steinbruch in Dörnhau, einem Außenlager des KZ Groß-Rosen eingeteilt; bevor die Rote Armee das Lager befreite, zwang die SS die jüdischen Gefangenen noch auf einen Todesmarsch zum Konzentrationslager Buchenwald. Von dort wurden sie – mit 5000 Menschen in Güterwaggons zusammengedrängt und fast ohne Nahrung – auf eine dreiwöchige Zugfahrt in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Nur 816 Häftlinge überstanden die mörderische Fahrt. Ben und sein Cousin Isaac waren unter den Überlebenden. Doch starb Isaac noch unmittelbar nach der Befreiung des KZ Dachau, am 29. April 1945, in Bens Armen.
Zusammen mit seiner Schwester Lola blieb Ben der einzige Überlebende aus der Familie Lesser. 1947 folgte er ihr in die USA. Dort stürzte sich Ben ins Leben und in die Arbeit, auch um die Erinnerung an die Vergangenheit zu verdrängen. In Los Angeles lernte er 1950 seine Ehefrau Jean Singer kennen, gründete eine eigene Familie und begann eine Karriere in der Immobilienbranche. Zugleich besuchte er die Abendschule, um seinen Wissenshunger zu stillen, nachdem die Nationalsozialisten ihn ab der 6. Klasse aus dem Schulunterricht ausgeschlossen hatten.
Erst 1995, im Ruhestand, als Ben und Jean nach Las Vegas gezogen waren, berichtete er erstmals in der Schule seines Enkelsohns Adam öffentlich über seine Geschichte und seine persönlichen Erfahrungen während der nationalsozialistischen Verfolgung. 2012 veröffentlichte Ben seine Lebensgeschichte, die 2023 auch in einer deutschen Ausgabe erschien (Ben Lesser: Ein Leben, das zählt. Vom Nazi-Albtraum zum American Dream, Göttingen 2023). Wiederholt besuchte er die KZ-Gedenkstätte Dachau; wir werden ihn und seine Zugewandtheit, seine Freundlichkeit und Wissbegierde in Erinnerung behalten. Unsere Gedanken sind außerdem bei seinen Nachkommen, den beiden Töchtern Sherry und Gail sowie den vier Enkeln und sieben Urenkeln.