Ergänzende Informationen: Glossar

Befehlsnotstand

Unter einem Befehlsnotstand wird eine Zwangslage verstanden, bei der der Empfänger des Befehls zwar den verbrecherischen Charakter der Anweisung erkennt, diese jedoch gleichwohl ausführt, weil er bei Nichtausführung objektiv selbst einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wäre. Der Befehlsempfänger bleibt dann straffrei.

Hat dieser Zwang nicht bestanden, war die Ausführung eines als verbrecherisch erkannten Befehls auch in der NS-Zeit nach § 47 (1), 2 des Militärstrafgesetzbuchs strafbar.

Kann der Befehlsempfänger glaubhaft belegen, dass er den Befehl aus Angst um Leib und Leben ausgeführt habe, auch wenn diese Gefahr objektiv nicht bestand, sprechen Juristen von einem „putativen Befehlsnotstand“ und die Gerichte können dies als Straffreiheitsgrund anerkennen.

Der Befehlsnotstand war ein zentrales Argument bei der Verteidigung von NS-Kriegsverbrechern.

 

Common Design

Common Design (etwa: gemeinsames Unternehmen) stammt ganz wesentlich aus der anglo-amerikanischen Rechtstradition. Es bezeichnet ein Verbrechen, an dem mehrere Täter in gemeinschaftlicher Verfolgung eines Ziels wissentlich und aktiv teilgenommen haben. Bei den KZ-Hauptprozessen bedeutete dies, dass das Betreiben eines KZ die eigentliche Tat war und jede Funktion und Tätigkeit im KZ-System einen Teil dieses Verbrechens darstellte.

Im Common Design kann es keinen Befehlsnotstand geben, die Gerichte konnten aber je nach Position der Angeklagten unterschiedliche Tat- und Schuldanteile zuerkennen und bei entsprechendem Nachweis der Nichtteilnahme am Gesamtunternehmen in Ausnahmefällen auch auf Freispruch erkennen.

 

Entnazifizierung

Als Entnazifizierung bezeichnet man den Versuch der Alliierten, Staat, Wirtschaft, Recht und Gesellschaft in Deutschland vom Nationalsozialismus innerlich und äußerlich zu befreien und zu demokratisieren. Dieses Ansinnen wurde von jeder Besatzungsmacht unterschiedlich gehandhabt.

Eine der ersten Maßnahmen zur Entnazifizierung in der US-Zone war der automatic arrest (etwa: obligatorische Internierung) für NS-Funktionsträger aus Staat und Partei sowie für Personen, in denen die Alliierten eine Bedrohung sahen. Mit dem „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ wurde die Entnazifizierung im März 1946 in deutsche Zuständigkeit übertragen. Jeder Volljährige musste einen Fragebogen ausfüllen. Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen wurden vor eine Spruchkammer gestellt, die Sühnemaßnahmen von einer Geldstrafe bis zur Einweisung in ein Arbeitslager verhängen konnte.

 

Fliegermorde

Als Fliegermorde werden die völkerrechtswidrigen Tötungen von alliierten Fliegerbesatzungen durch deutsche Militärangehörige und Zivilisten bezeichnet. Die Täter waren überwiegend lokale Funktionäre der NSDAP und Polizisten, seltener Angehörige der Wehrmacht. Die Zivilbevölkerung war ebenfalls beteiligt. Die Gesamtzahl von Gewaltverbrechen gegen alliierte Flieger liegt bei etwa 1.000.

Die Ahndung von Fliegermorden war mit 226 Verfahren auch einer der zentralen Verhandlungsgegenstände bei den Dachauer Prozessen.

 

Kriegsvölkerrecht

Das Kriegsvölkerrecht, im modernen Sprachgebrach auch humanitäres Völkerrecht genannt, umfasst das Recht zum Krieg (ius ad bellum) und das Recht im Krieg (ius in bellum).

Das heutige humanitäre Völkerrecht entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts und war der Versuch, durch Regeln Kriegsgefangene und Zivilisten zu schützen. Wichtige Verträge sind die Haager Landkriegsordnung von 1899 und 1907 und das Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929 sowie die Genfer Konventionen von 1949. Mit dem Beitritt zu diesen Verträgen verpflichteten und verpflichten sich die Nationen, diese Regeln einzuhalten; ein Verstoß gilt dann als Kriegsverbrechen.

Bei den Dachauer Prozessen bildete das Kriegsvölkerrecht die Grundlage der Anklage. Heute übernehmen nach und nach internationale Gerichtshöfe die Ahndung von Kriegsverbrechen nach dem humanitären Völkerrecht.

 

Naturrecht

Das Naturrecht geht von der Annahme aus, dass es universal gültige Rechtsprinzipien gäbe. Es basiert auf griechischen Philosophen wie Heraklit oder Platon, denen zufolge jeder Mensch „von Natur aus“ mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet sei. Das heutige Naturrecht wurzelt im Christentum und der Aufklärung. Das Naturrecht ist die Grundlage für die heutigen Menschenrechte.

In der Verfassung der USA findet sich Naturrecht in dem Recht auf „Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück“; in Deutschland im Artikel 1 des Grundgesetzes, nach dem die Würde des Menschen unantastbar ist.

 

Parent Case

Der Begriff des Parent Case stammt aus der anglo-amerikanischen Rechtstradition und dem entsprechenden Prozessrecht. Basierend auf dem Fallrecht (case law), wird durch richterliche Entscheidungen Recht geschaffen. Diese Aufgabe hat der Parent Case, der Hauptprozess, der einen Präzedenzfall schaffen muss. Dort bewiesene Sachverhalte müssen in Folgeverfahren zum selben Tatzusammenhang nicht erneut bewiesen werden. Auf diese Weise wird nicht nur Rechtssicherheit geschaffen, sondern es lassen sich auch, wie im Fall der Dachauer Prozesse, viele Verfahren in kurzer Zeit durchführen.

In der kontinentaleuropäischen Rechtstradition ist das Fallrecht und somit auch der Parent Case weitgehend ungebräuchlich.

 

Re-Education

Die Re-Education war Teil der westlichen, speziell der US-amerikanischen Entnazifizierung. Das Ziel bestand darin, das Fortleben von nationalsozialistischem und militaristischem Gedankengut in der deutschen Nachkriegsgesellschaft durch politische Bildungsarbeit zu verhindern. Die Mittel hierfür waren der Einsatz von Massenmedien und kulturellen Angeboten sowie die Umgestaltung des deutschen Bildungssystems.

In der US-Zone spielte im Rahmen der Re-Education zunächst die Berichterstattung über NS-Verbrechen und deren juristische Ahndung – wie etwa in den Dachauer Prozessen – eine große Rolle.

 

Rückwirkungsverbot

Nach dem Rückwirkungsverbot darf durch ein Gericht eine Strafnorm nur angewendet werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Begehung des Delikts bereits existierte. Hierauf plädierten die Verteidiger in den Dachauer Prozessen (nulla poena sine lege praevia). Die in Dachau angeklagten Straftatbestände basierten jedoch auf etabliertem Kriegsvölkerrecht. Die anglo-amerikanische Rechtstradition kennt auch das Rückwirkungsverbot, weil sie aber stark vom Fallrecht geprägt ist, bedarf es nicht unbedingt einer schriftlichen Fixierung.