Lina Haag

 |  22. Januar 2013

Als Ehefrau des württembergischen KPD-Abgeordneten Alfred Haag war auch Lina Haag unmittelbar nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten am 31. Januar 1933 festgenommen und für zehn Monate in das Landesgefängnis Gotteszell – einem frühen Konzentrationslager für Frauen – inhaftiert worden. Später hielt die Gestapo sie im Frauenkonzentrationslager Lichtenburg gefangen.

Nach ihrer Haftentlassung 1939 kämpfte Lina Haag couragiert um die Freilassung ihres Ehemannes, den die SS vom Konzentrationslager Oberer Kuhberg in das KZ Dachau und schließlich in das KZ Mauthausen gebracht hatte. Nach vielen Versuchen gelang es ihr, bis zu Heinrich Himmler, dem Reichsführer der SS und Chef der Deutschen Polizei vorgelassen zu werden. Himmler zeigte sich offensichtlich beeindruckt von dem großen Mut Lina Haags, und gab die Anweisung, ihren Mann aus der KZ-Haft zu entlassen.

Während Alfred Haag zur Wehrmacht eingezogen wurde, musste Lina Haag als Heilgymnastin in einem Garmischer Lazarett verwundete Soldaten versorgen. Immer noch stand sie unter Beobachtung der Gestapo, gleichzeitig lebte sie in großer Sorge um ihren Mann, der seit 1944 als vermisst galt. In dieser Situation begann sie damit, Briefe an Alfred Haag zu formulieren, in denen sie ihre Erinnerungen an die KZ-Haft und ihren jahrelangen Kampf um seine Freilassung niederschrieb.

Nach Kriegsende zog Lina Haag zusammen mit ihrer Tochter nach München. Ermutigt durch einen Offizier der US-Armee, der für Kulturangelegenheiten zuständig war, veröffentlichte sie ihre Aufzeichnungen 1947 erstmals unter dem Titel „Eine Handvoll Staub“. Ein Jahr später kehrte Alfred Haag aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurück. Als Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau setzte er sich jetzt für die Belange ehemaliger KZ-Häftlinge ein und kämpfte für den Aufbau einer KZ-Gedenkstätte in Dachau. Lina Haag unterstütze ihn dabei nach Kräften, zugleich verzichtete sie aber darauf, ihren eigenen schriftstellerischen Ambitionen weiter nachzugehen.

Erst 1977, auch dank der Unterstützung des Schriftstellers Oskar Maria Graf, dem die frühere Auflage des Buches durch Zufall in die Hände gefallen war, wurde „Eine Handvoll Staub“ erneut gedruckt. Die Erinnerungen erfuhren seither großen Zuspruch, sie wurden in viele Sprachen übersetzt und Lina Haag trat bis zu ihrem 80. Geburtstag bei tausenden Zeitzeugengesprächen und Vorträgen in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen auf.

Für ihren beispiellosen Mut, mit dem sie dem NS-Regime entgegengetreten war, ehrte die Stadt Dachau Lina Haag anlässlich ihres 100. Geburtstages im Jahr 2007 mit dem Dachauer Preis für Zivilcourage. Die KZ-Gedenkstätte Dachau verliert in Lina Haag eine langjährige kritische Begleiterin, die das aktuelle Geschehen bis zu ihrem Tod mit hellwachem Geist begleitete und ihren Gesprächspartnern stets offen und aufrichtig gegenübertrat.