Nachruf

Pierre Schillio (1930-2024)

 |  18. September 2024

Pierre Schillio bei der Beförderung zum Offizier der Ehrenlegion am 3. April 2024 in Paris zum © Amicale Dachau

Die KZ-Gedenkstätte Dachau trauert um Pierre Schillio. Der Sohn des französischen Klavier-Unternehmers Lucien Schillio kam 1930 in Lille auf die Welt. Der Familienbetrieb unterhielt Niederlassungen in Paris und mehreren anderen Orten. Doch nach der deutschen Besetzung Frankreichs im Jahr 1940 war die jüdische Familie zahlreichen Diskriminierungen und Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Im Spätsommer 1943 verhaftete die Gestapo alle Familienmitglieder und deportierte sie nach Auschwitz, wo Pierre Schillios Mutter, seine beiden Schwestern, seine Cousine und sein Großvater ermordet wurden. Gemeinsam mit seinem Vater Lucien wurde Pierre Schillio als „arbeitsfähig“ eingestuft und zur Zwangsarbeit in das Konzentrationslager Warschau gebracht. Um die Befreiung der Häftlinge durch die heranrückende Rote Armee zu verhindern, wurden 4000 Gefangene – darunter auch Pierre und Lucien Schillio –  im Juli 1944 von Warschau aus auf einen qualvollen, 120 Kilometer langen Fußmarsch zum Bahnhof Kutno gezwungen. Sie litten Durst und Hunger, nachts lagerten sie auf Wiesen unter freiem Himmel und wer nicht weitermarschieren konnte, wurde von den SS-Wachen erschossen. In Kutno mussten sich die Gefangenen mit je 90 Personen in überfüllte Güterwaggons zwängen und wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt, wo sie Anfang August 1944 eintrafen.

Lucien Schillio war so erschöpft, dass er dauerhaft im „Quarantäneblock“ der schwer Kranken bleiben musste; Pierre Schillio musste trotz einer schmerzhaften Fußverletzung als Revierpfleger in einer der Krankenbaracken Zwangsarbeit leisten.

Doch beide überlebten die KZ-Haft und wurden am 29. April 1945 von Truppen der US-Armee befreit. Nach Kriegsende kehrten sie nach Paris zurück.

Pierre Schillio, der einer der jüngsten französischen Gefangenen des Konzentrationslagers Dachau gewesen war, engagierte sich nach 1945 in der Amicale nationale de Dachau und wirkte 49 Jahre lang als deren Generalsekretär. Er blieb bis zu seinem Tod am 16. August 2024 Ehrenpräsident der Amicale. Als Zeitzeuge berichtete er regelmäßig über seine Lebensgeschichte, die Verfolgung im Nationalsozialismus und seine Erfahrungen während des Holocaust. Mehrfach wurde er ausgezeichnet, unter anderem wurde er bereits 1962 zum Ritter der Ehrenlegion und im April 2024 zum Offizier der Ehrenlegion ernannt. Die Medaille verlieh ihm sein Freund Jean Samuel, der ebenfalls das KZ Dachau überlebte.