Nachruf

Peter Gardosch (1930 – 2022)

 |  23. November 2022

Die KZ-Gedenkstätte trauert um Peter Gardosch. Er starb am 16. November 2022, kurz nach seinem 92. Geburtstag in seinem Heimatort nahe Berlin.

Gardosch kam aus einer jüdischen, deutsch geprägten gutbürgerlichen Familie, die aus dem im rumänischen Siebenbürgen liegenden Ort Targu Mures stammte. Der Ort war überwiegend ungarisch besiedelt und heißt auf Ungarisch Marosvasarhely, auf Deutsch Neumarkt am Mieresch und wurde, nachdem Ungarn 1941 sein Staatsgebiet erheblich erweiterte, wieder aus Rumänien herausgelöst. Von da ab war auch die jüdische Bevölkerung Siebenbürgens massiven antisemitischen Beeinträchtigungen im Alltagsleben ausgesetzt. Sie blieb aber zunächst von Deportationen verschont.

Nach dem Sturz der ungarischen Regierung und der Machtübernahme durch das Deutsche Reich im Frühjahr 1944 organisierte die deutsche Verwaltung die Vernichtung des ungarischen Judentums. So wurde auch Gardoschs Familie in ein Internierungslager gesperrt, das sich in einer ungarischen Ziegelei befand, und schließlich in das KZ Auschwitz deportiert. Dort wurden seine Mutter, seine Großmutter und Schwester ermordet.

Peter Gardosch wurde an der Bahnrampe zu der Seite selektiert, die eine Überlebenschance erhalten sollten. Geholfen hatte sicherlich auch, dass sich der damals 13-Jährige vier Jahre älter machte. Nach „neun Tagen in der Hölle“ wurde er einem Transport in das Außenlager Kaufering III zugeiteilt, zusammen mit seinem Vater Aladar und 1.000 weiteren, überwiegend ungarischen Juden. Es war der erste Transport, der dort am 18. Juni 1944 ankam. Die Häftlinge wurden in feuchten, niedrigen Erdhütten untergebracht, die Versorgung mit Lebensmitteln war von Anfang an völlig unzureichend und verschlechterte sich noch im Lauf der Monate. Die Häftlinge wurden zum Bau eines Bunkers mit dem Tarnnamen „Weingut“ eingesetzt und mussten dort Gleistrassen zur Bahnstrecke anlegen sowie schwere Betonarbeiten ausführen. Der Bau der Rüstungsbunker hatte zum Ziel, die Produktion des Düsenflugzeugs Messerschmitt ME 262 zu sichern. Zehn Monate lang überstand Gardosch diesen lebensgefährlichen Einsatz.

Beim Todesmarsch Ende April 1945 gelang Gardosch die Flucht, er konnte sich zusammen mit seinem Vater im Kloster Fürstenfeld verbergen und wurde dort von US-Einheiten befreit. Danach verließ er Deutschland und kehrte zurück in seine Heimatstadt. 1963 wanderte er nach Israel aus und kam schließlich zurück nach Deutschland. Hier war er als Unternehmensberater tätig.

Peter Gardosch mit seiner Mutter und seiner Schwester 1939.

Peter Gardosch als junger Mann.

Lange nachdem Gardosch in den Ruhestand getreten war, konnte er sich dazu überwinden, über seine Verfolgung zu schreiben und in der Öffentlichkeit davon zu berichten. In der autobiografischen Reportage „Die Wiedergutmachung“ (2004) und seinem autobiografischen Roman „Mit 13 durch die Hölle“ (2019) verarbeitete er seine Geschichte und die seiner Familie. Seine Auftritte als Zeitzeuge in Dachau und Landsberg/Kaufering waren durch die Lebendigkeit und Präzision sehr einprägsam. Während der Corona-Pandemie war er auch online als Zeitzeuge aktiv, wie beispielsweise zur Befreiungsfeier 2021 oder zum Internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Zuletzt besuchte er Dachau anlässlich der Jugendbegegnung im August 2022.

Der Gedenkstätte wird er in guter Erinnerung bleiben. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau und seiner Familie.

 

Bilder: KZ-Gedenkstätte Dachau (Titel), Familie Peter Gardosch