Pressemitteilung

Workshop-Tag der KZ-Gedenkstätte Dachau: „Neuere Forschungen zu den Dachauer Prozessen“

 |  8. November 2021

  • Im Rahmen der Vorbereitungen zur neuen Sonderausstellung
  • Fokus: wissenschaftliche Auseinandersetzung, Bilanz des aktuellen Forschungsstands und Anstoßen neuer Forschungen
  • Koordiniert durch die wissenschaftliche Abteilung der Gedenkstätte

Eine Bilanz des aktuellen Forschungsstands zu ziehen und noch verbliebene Desiderata zu identifizieren waren zwei der Aspekte, die beim Workshop „Neuere Forschungen zu den Dachauer Prozessen“ im September 2021 im Max-Mannheimer-Haus in Dachau im Fokus standen. Der Einladung der wissenschaftlichen Abteilung der KZ-Gedenkstätte Dachau folgten acht teils jüngere, teils etabliertere Historiker/-innen, die einen Einblick in ihre Forschungsergebnisse gaben (sechs davon durch eigene Vorträge), sowie zahlreiche weitere interessierte Zuhörer/-innen und Diskussionsteilnehmer/-innen aus Wissenschaft und Bildung. Anlass für die Tagung bildete die neue Sonderausstellung der Gedenkstätte zu den Dachauer Prozessen, die am 29. April 2022 eröffnet werden wird.

Dr. Christoph Thonfeld, Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung der KZ-Gedenkstätte Dachau, zeigte sich in seinen Begrüßungsworten sehr erfreut über die zahlreichen Teilnehmenden und skizzierte als Herausforderungen des Workshop-Tages die weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex sowie das Setzen neuer Forschungsimpulse. „Die Dachauer Prozesse standen und stehen in der öffentlichen Wahrnehmung stets im Schatten von Nürnberg. Doch die umfangreichen Dachauer Dokumente und Ermittlungsakten stellen ebenfalls sehr wertvolle Quellen zur Erforschung der Aufarbeitung der Verbrechen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern dar“, so Dr. Thonfeld.

Darüber hinaus gehören die Dachauer Prozesse zu den bedeutendsten Kriegsverbrecherprozessen der Alliierten. 1.912 Angeklagte mussten sich zwischen 1945 und 1948 in 461 Verfahren für ihre Taten während des Nationalsozialismus rechtfertigen. Das größte Aufsehen erregten dabei die Prozesse gegen SS-Angehörige und Funktionshäftlinge der KZ Dachau, Mauthausen, Flossenbürg, Buchenwald, Mittelbau-Dora und des Dachauer Außenlagerkomplexes Mühldorf.

In seinem Auftaktvortrag gab Robert Sigel, der mit seiner 1992 erschienenen Studie „Im Interesse der Gerechtigkeit“ wichtige Grundlagenarbeit zur Erforschung der Dachauer Prozesse geleistet hatte, einen kritischen Rückblick auf sein Werk sowie einen ersten Einblick in noch offene Felder – wie z.B. die Erforschung der Dachauer Nachfolgeprozesse. Zudem regte er die Entwicklung pädagogischer Angebote an, um das Thema Dachauer Prozesse über eine aktive Bildungsarbeit auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Johannes Lehmann und Martin Gruner beschäftigten sich in ihren Beiträgen jeweils mit einem bestimmten Prozess – während bei Lehmann die Karriere des ehemaligen Kommandanten des KZ Dachau, Martin Gottfried Weiß im Fokus stand, beleuchtete Gruner die rechtsgeschichtliche Einordnung des Prozesses gegen seinen Vorgänger, Alexander Piorkowski. Dabei arbeitete er grundsätzliche Punkte unter anderem auch zur juristischen Betrachtung der Prozesse heraus, wie beispielsweise die Anwendung des „Common Design“, die nicht zwischen Täter und Mittäter unterschied, sondern für die allein die Mitwirkung im Rahmen eines verbrecherischen Tatzusammenhangs ausschlaggebend ist.

Dominique Hipp, Susanne Meinl und Edith Raim wiederum näherten sich in ihren Vorträgen am Nachmittag dem Themenkomplex auf einer anderen Ebene: Mit einer Betrachtung der „Verbrechen als Erzählung“ wählte Hipp eine narrative Herangehensweise, während Meinl sich intensiv mit der Erforschung der so genannten „Fliegerprozesse“ auseinandersetzte. Diese wurden wegen Verbrechen an den Besatzungen abgeschossener alliierter Flugzeuge geführt. In einem abschließenden Impulsreferat stellte Raim die Charakteristika der westdeutschen Rechtsprechung seit 1949 in Verfahren wegen KZ-Verbrechen in den Fokus und knüpfte damit den Bogen von der amerikanischen Militärrechtsprechung zur Aufarbeitung der Verbrechen in der Bundesrepublik.

Dr. Christoph Thonfeld zieht eine zufriedene Bilanz des Workshop-Tages und zeigt sich nicht nur erfreut über neue Forschungsanstöße, sondern auch über die wertvollen Erkenntnisse, die die anwesenden Fachkolleg/-inn/en und andere Interessierte bereits gewinnen konnten. „Der Workshop erlaubte uns einen tieferen Einblick in den aktuellen Forschungsstand und die Quellenlage und zeigte uns auch die Potenziale auf, die die Quellen zu den Dachauer Prozessen künftigen Forschungen bieten können.“

Der detaillierte Tagungsbericht ist auf H-Soz-Kult abrufbar.