Nico Rost und das Tagebuch
„Ich habe mir geschworen, alles zu tun, meine ganze Kraft dafür einzusetzen, um diese Toten später wieder lebendig werden zu lassen – in allem, was ich schreiben werde! Diese Gestorbenen müssen leben, damit die Lebenden, die nach ihnen kommen, nicht sterben müssen. Ich will am Leben bleiben, um sie wieder leben zu lassen.“
(Heimliche Tagebuchnotiz 2. März 1945, in: Goethe in Dachau, 1948.)
geboren am 21. Juni 1896 in Groningen
gestorben am 01. Februar 1967 in Amsterdam
Nico Rost kam 1896 als älteres von zwei Kindern in einer bürgerlichen Familie im Norden der Niederlande zur Welt. Schon früh interessierte er sich für deutsche Literatur, Kunst und Kultur und hegte den Wunsch, Schriftsteller zu werden. So erschien bereits 1918 sein erstes sozialkritisches Werk, welches ihm jedoch nicht zum erhofften Durchbruch verhalf. Im Jahr 1919 heiratete er Maud Kok und bekam mit ihr zwei Kinder. 1926 ließ sich das Paar jedoch wieder scheiden. Anfang der 1920er Jahre zog es den Literaturliebhaber schließlich als Übersetzer und Kulturjournalist nach Berlin, wo er ein häufig gesehener Gast im „Romanischen Café“ – dem zentralen Künstlertreffpunkt der Stadt – war und in welchem er mit bekannten deutschen Schriftstellern wie Gottfried Benn und Alfred Döblin in Kontakt kam. Seit den späten 1920er Jahren war er außerdem Mitglied der Kommunistischen Partei und verstand sich als Sympathisant des Marxismus sowie als Gegner des Nationalsozialismus und Faschismus.
Inhaftiert und deportiert
Aufgrund seines „Umgangs mit Marxisten und Juden“ – so lautete der offizielle Verhaftungsgrund – wurde Nico Rost Anfang 1933 bereits kurz nach der Machtübernahme Hitlers festgenommen und im KZ Oranienburg interniert. Nach wenigen Wochen in Haft wurde er entlassen, gleichzeitig aber des Landes verwiesen. Er emigrierte daraufhin nach Brüssel, wo er noch im selben Jahr ein Buch über seine Erlebnisse im Konzentrationslager veröffentlichte und weiterhin als Journalist tätig war. Sein Lebensmittelpunkt in Brüssel entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer ersten Anlaufstelle und zum Treffpunkt für Schriftsteller, welche aus dem nationalsozialistischen Deutschland vertrieben wurden oder fliehen mussten. Nachdem die Wehrmacht 1940 die Niederlande, Luxemburg und auch Belgien überfallen hatte, schloss sich Nico Rost dem Widerstand an und heiratete die deutsche Jüdin Edith Blumberg.
Befreiung am 29. April 1945
Im Mai 1943 wurde Rost verhaftet und wegen „Wehrkraftzersetzung“ ins sogenannte „Oranjehotel“ – ein Gestapo-Gefängnis für Angehörige des niederländischen Widerstandes – in Scheveningen eingeliefert. Einige Monate später wurde Nico Rost in das Konzentrationslager Herzogenbusch verlegt und im Juni 1944 schließlich in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Hier war er bis zur Befreiung des Lagers am 29. April 1945 im Krankenrevier in Baracke 9, Stube I untergebracht. Unter Lebensgefahr gelang es ihm dort ein heimliches Tagebuch zu führen.
Nach dem Krieg wurde dieses Tagebuch schließlich unter dem Titel „Goethe in Dachau“ veröffentlicht und gilt bis heute als wichtige Quelle über den Lageralltag im KZ Dachau. Nico Rost selbst zog nach der Befreiung mit seiner Frau Edith nach Brüssel und war wieder schriftstellerisch und journalistisch tätig. Später ließ sich das Paar in Amsterdam nieder. Als Mitglied des Niederländischen sowie des Internationalen Komitees von Dachau setzte sich Nico Rost für die Entstehung der Gedenkstätte am Ort des ehemaligen Konzentrationslagers in Dachau ein und engagierte sich darüber hinaus im Rahmen von Vorträgen während seiner Deutschlandbesuche für eine gelebte Erinnerungskultur und gegen das Vergessen. Als Liebhaber der deutschen Literatur blieb ihm die Versöhnung zwischen Niederländern und Deutschen zeitlebens ein besonderes wie auch persönliches Anliegen.
Die Beiträge sind Teil des Audioguides der KZ-Gedenkstätte Dachau, der im Besucherzentrum entliehen werden kann.