Vortrag

Zwischen Widerstand und Martyrium: Zeugen Jehovas im KZ Dachau – Vortrag von Dr. Detlef Garbe

Die Zeugen Jehovas, die als erste von vielen kleineren Glaubensgemeinschaften bereits 1933 verboten wurden, gehörten zu den vom NS-Regime besonders hart verfolgten Gruppen. Da sie ihre Zusammenkünfte, den Druck ihrer Schriften und die Missionsaktivitäten beharrlich und unter Anwendung von konspirativen Techniken fortführten, reagierte Gestapo und Justiz mit aller Schärfe.

Vor den Sondergerichten wurden in sogenannten Bibelforscherverfahren Tausende abgeurteilt. Besonders unbeugsame Gläubige wurden ab Mitte der 1930er-Jahre zu Hunderten in Konzentrationslager eingeliefert, wo die SS die „Bibelforscher“ mit dem „lila Winkel“ als eigenständige Haftgruppe kennzeichnete.
Im KZ Dachau stieg ihre Zahl bis Ende der 1930er-Jahre auf annähernd 200. Auch hier waren diese Häftlinge der SS wegen ihres religiösen „Fanatismus“ und ihrer prinzipientreuen Unbeugsamkeit besonders verhasst. Nach Kriegsbeginn und ihrer Überstellung ins KZ Mauthausen wurden viele  von ihnen wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung systematisch zu Tode geschunden.

Angesichts der stark anwachsenden Bedeutung der Häftlingsarbeitskraft verbesserte sich in den späteren Jahren die Lage der Bibelforscher-Häftlinge jedoch zusehends. Da die Zeugen Jehovas aus Glaubensgründen eine Flucht aus dem Lager ablehnten – sie sahen ihr Schicksal ganz in die Hand Gottes gelegt –, wurden sie gern außerhalb der Lager an schwierig zu überwachenden Arbeitsplätzen und in so genannten „Vertrauensstellungen“ eingesetzt, so auch in SS-Einrichtungen und Parteidienststellen.

Detlef Garbe informiert über Hintergründe und Besonderheiten dieser Häftlingsgruppe, deren Glaubensgehorsam auf Bewunderung wie Unverständnis stieß und bis heute in der historischen Bewertung umstritten ist.

Detlef Garbe, geboren 1956, leitet seit 1989 die KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Nach seinem Geschichtsstudium promovierte er über die Geschichte  der Zeugen Jehovas im Dritten Reich. Er gehörte 1982 zu den Gründern der Projektgruppe für die vergessenen Opfer des NS-Regimes und arbeitete im Museum für Hamburgische Geschichte und bei zeitgeschichtlichen Ausstellungsprojekten. Garbe hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zu den Themen Geschichte der Konzentrationslager, Wehrmachtjustiz, Vergangenheitsbewältigung und zu marginalisierten Opfergruppen publiziert, insbesondere zu den Zeugen Jehovas während des NS-Regimes. Er gehört vielen Fachbeiräten an, u. a. dem Beirat  der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.