Nachruf Stanislav Zámečník

 |  26. Mai 2011

Im Alter von 88 Jahren ist Stanislav Zámečník am 22. Juni 2011 in Prag verstorben. Diese Nachricht erfüllt uns mit großer Trauer. Als 17-Jähriger schloss sich Stanislav Zámečník, unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht tschechischen Verbänden an, um Widerstand zu leisten. Bei dem Versuch, das Land zu verlassen, wurde er verhaftet und im Februar 1941 nach Dachau verschleppt. Unter Einsatz seines Lebens arbeitete er seit November 1941 im Krankenrevier, beschaffte Medikamente für seine todkranken Kameraden, versteckte zur Ermordung vorgesehene Häftlinge und bekam tiefe Einblicke in die grausamen medizinischen Versuche der SS.

Nach der Befreiung Dachaus studierte Stanislav Zámečník an der Prager Karls-Universität Geschichte und setzte sich in doppelter Funktion als Historiker und Zeitzeuge mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinander. Als Mitarbeiter des Militärhistorischen Instituts erforschte er ab 1960 die Geschichte des tschechischen Widerstandes und des Konzentrationslagers Dachau. 1968 engagierte er sich gemeinsam mit Überlebenden der Konzentrationslager im „Prager Frühling“. Nach der Niederschlagung des Aufstandes verlor er seinen Arbeitsplatz und erhielt Berufsverbot, was er – mit Leib und Seele Historiker – als tiefen Einschnitt empfand. Erst nach den politischen Umbrüchen der Jahre 1989/1990 konnte er seine Forschungen fortführen. Über Jahrzehnte blieb Stanislav Zámečník eng mit der KZ-Gedenkstätte und der langjährigen ehemaligen Leiterin Barbara Distel verbunden. Seinem Einsatz verdankt die Gedenkstätte zahlreiche Dokumente.

Mit seinem Buch „Das war Dachau“ veröffentlichte er die erste Monografie über das KZ Dachau in deutscher Sprache. Als Mitglied des Wissenschaftlichen Fachbeirats zur Neukonzeption der KZ-Gedenkstätte und der Dauerausstellung gab er maßgebliche Impulse. Im April dieses Jahres hat die KZ-Gedenkstätte nach jahrelangen Recherchen das „Gedenkbuch für die Toten des Konzentrationslagers Dachau“ der Öffentlichkeit präsentiert. Dass Stanislav Zámečník an diesem Tag aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nach Dachau kommen konnte, hat uns tief geschmerzt, hatten seine Forschungen doch zu maßgeblichen Erkenntnissen geführt, ohne die das Gedenkbuch nicht zustande gekommen wäre. Die Erinnerung an das KZ Dachau und an die dort Ermordeten waren seine zentrale Lebensaufgabe.

Stanislav Zámečníks Tod reißt eine große Lücke in die Reihen der Überlebenden. Sein freundliches und bescheidenes Wesen und seine zupackende Art, mit der er seine Standpunkte vertrat, werden wir in Erinnerung behalten. Er hat unendlich viel für den Erinnerungsort Dachau getan und vieles von ihm wird uns bleiben: in seinen inzwischen in viele Sprachen übersetzten Büchern, den Ausstellungen und in unserer Arbeit. Seinen Angehörigen gilt unser tiefes Mitgefühl.

Gabriele Hammermann
mit den MitarbeiterInnen der Gedenkstätte

© Elija Boßler