Der Schubraum

Nach ihrer Ankunft im Häftlingslager wurden die Gefangenen von der SS zuerst in den Schubraum im Wirtschaftsgebäude gebracht. Der Begriff „Schub“ stammt aus dem Strafvollzug und bedeutet „Gefangenentransport“. Im Schubraum wurden die Neuankömmlinge einer entwürdigenden Aufnahmeprozedur unterworfen. Sie durchlitten dort den gewaltsamen Verlust ihrer persönlichen Rechte und Freiheiten.

Im Schubraum war zwischen den Säulen eine Reihe von Tischen aufgestellt, die den Raum in der Mitte unterteilten. Hinter den Tischen standen Häftlinge, die im Auftrag der SS in der sogenannten Gefangenen-Eigentums-Verwaltung arbeiten mussten. Die SS befahl den neu eingelieferten Häftlingen, sich nackt auszuziehen und ihre Kleidung sowie alle persönlichen Gegenstände abzugeben. Die Gefangenen an den Schreibtischen nahmen ihren Besitz entgegen und verzeichneten ihn. Anschließend mussten die Neuankömmlinge unbekleidet in das nahe Häftlingsbad gehen.

Blick die Ausstellung im ehem. Schubraum (Bildrechte: KZ-Gedenkstätte Dachau)

Erinnerungen von Edgar Kupfer-Koberwitz

Unter den neu eingelieferten Häftlingen, die am 11. November 1940 diese Prozedur über sich ergehen lassen mussten, befand sich auch Edgar Kupfer-Koberwitz. Er stammte ursprünglich aus Niederschlesien und hatte sich nach einer ersten Flucht nach Frankreich im Jahr 1937 schließlich auf der italienischen Insel Ischia niedergelassen. Dort war er aufgrund des Vorwurfes, sich negativ über das deutsche und das italienische Regime geäußert zu haben, als politischer Gegner verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht worden. Im KZ Dachau musste Edgar Kupfer-Koberwitz in den außerhalb des Stammlagers gelegenen Präzifix-Werken – einer Schraubenfabrik – arbeiten. Hier gelang es ihm, Aufzeichnungen über seine Zeit im Lager anzufertigen sowie ein heimliches Tagebuch zu führen. In einem Versteck unter dem Fußboden der Fabrik überdauerten die Schriftstücke die Befreiung und wurden erstmals 1957 stark verkürzt unter dem Titel „Die Mächtigen und die Hilflosen“ veröffentlicht. 1997 wurden die „Dachauer Tagebücher“ schließlich in ungekürzter Version der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Edgar Kupfer-Koberwitz verstarb 1991 in Stuttgart.

Hören Sie in der nachfolgenden Audio-Datei Edgar Kupfer-Koberwitz‘ Erinnerungen an seine Einlieferung in das Konzentrationslager Dachau am 11. November 1940:

 

Der Tonbeitrag ist Teil des Audioguides der KZ-Gedenkstätte Dachau, der im Besucherzentrum entliehen werden kann.

Der Einlieferungsprozess ins Konzentrationslager Dachau wurde auch in einem digitalen Live-Rundgang thematisiert, der auf unserer Facebook-Seite zu sehen ist.